Es stimmt, dass die Berufswahl relativ früh in der Entwicklung der Jugendlichen stattfindet. Dies ist auch ein Grund, dass viele Eltern sagen: «Mein Kind ist noch nicht reif genug für die Berufswahl.» Sie meinen, es solle am besten noch länger zur Schule gehen, um dort zu reifen und dann besser zu wissen, was es will und was nicht. Das ist jedoch nicht das Ziel der Gymnasien.

Gemäss dem ehemaligen Lehrer und ausgewiesenen Kenner der Berufsbildung, Thomas Rentsch, ist das Gymnasium für die meisten Jugendlichen nicht der ideale Ort für den Reifeprozess. Der Reifeprozess wird durch eine Berufslehre gemäss Rentsch beschleunigt. Auf die Persönlichkeitsentwicklung kann man nicht warten, man entwickelt die eigene Persönlichkeit in der Berufslehre durch aktive Entscheide und aktive Arbeit weiter. Man sammelt Erfahrungen im realen Leben, entdeckt Talente, findet Genugtuung und Freude, wenn man etwas erreicht hat. Man trägt auch Verantwortung und erhält Bestätigung für das Geleistete und dies nicht nur durch Noten. Man sieht selbst, was man geleistet hat. Man lernt in der Berufslehre vielleicht erstmals auch das erste Mal durchzubeissen, muss sich neu definieren und Entscheide treffen. Die Berufslehre ist die beste Begleitung zum Erwachsenwerden – eine Lebensschule, so Rentsch. Der Ausbildungsbetrieb ist dabei aber sehr wichtig. «Ob man Französisch in der Schule mag, hängt häufig von der Lehrperson ab. Nicht anders verhält es sich während der Lehre: Der Berufsbildner respektive die Berufsbildnerin spielt eine zentrale Rolle», so Rentsch.

Leistungsmotivation und Resilienz
Ein Berufsabschluss ist mehr als eine bestandene Prüfung. Das Fähigkeitszeugnis (EFZ) oder Attest (EBA) bescheinigt die Praxistauglichkeit in einem bestimmten Beruf. Die Berufslehre bietet die gleiche Arbeitsplatzsicherheit, Karrierechancen sowie Entlohnung wie eine akademische Ausbildung. Dies zeigen die Zahlen der letzten 20 Jahre für die Schweiz. Vielfach wird kritisiert, dass es bei der heutigen jungen Generation an Motivation, Leistungsbereitschaft und Belastbarkeit mangle. Rentsch erlebt dies bei den Lernenden grösstenteils anders. «Natürlich hat man in diesem Alter auch andere Sachen im Kopf als die Lehre», so Rentsch. Und jede Generation tickt ein bisschen anders. Aber die meisten Lernenden sind motiviert und engagiert, wenn sie gut aufgenommen werden. Wie eine Studie der Universität Zürich kürzlich gezeigt hat, bringt die Berufslehre einen Motivationsschub im Leben. Das Fazit der Studie lautet: «Die Jugendlichen in der Berufslehre machten im Durchschnitt einen Sprung in Sachen Lern- und Leistungsmotivation, während bei den Gymnasiasten keine Fortschritte sichtbar waren.» Neben dem Fachwissen und Arbeitserfahrung füllt die Berufslehre den Rucksack mit Motivation, Leistungsbereitschaft und Belastbarkeit. Die Lern- und Leistungsmotivation ist nebst der Fach- und Sozialkompetenz ein zentraler Faktor für den beruflichen Erfolg. In der Berufslehre lernt man auch mit dem Scheitern umzugehen, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt. Man kann häufig in einem Team zusammenarbeiten. Der Sinn der Tätigkeit sowie die Zusammenarbeit im Team sind wichtige Faktoren für die Zufriedenheit am Arbeitsplatz.

TOP-Ausbildungsbetrieb

Das Zertifikat «TOP-Ausbildungsbetrieb» (TAB) zeichnet branchenübergreifend Unternehmen aus, die sich besonders intensiv bei der Ausbildung von jungen Menschen engagieren. Das tun sie, indem sie sich mithilfe von TAB kontinuierlich weiterentwickeln und dadurch ihre Lernenden auf dem Weg ins Berufsleben optimal begleiten. Dabei begleiten die Ausbildungsbetriebe die Lernenden auch in ihrer Persönlichkeit weiter. Weitere Informationen www.topausbildungsbetrieb.ch.

«Ich habe mich damals für eine Lehre als kaufmännische Angestellte entschieden, weil ich denke, dass es eine sehr gute Grundausbildung ist. Während der Ausbildung lernt man auch viel für das normale Leben kennen, zum Beispiel der Umgang mit Geld. Nach der kaufmännischen Lehre kann.»

Simona Sgier, influencerin